In der wissenschaftlichen Ägyptologie von heute unterscheidet man -
      auf den Erkenntnissen Champollions fußend - fünf Hieroglyphen Klassen: 

      1. Alphabetische Zeichen, die einen einzigen Laut repräsentieren.

      2. Silbenzeichen, die eine Kombination aus 2 Konsonaten repräsentieren.

      3. Silbenzeichen, die eine Kombination aus 3 Konsonaten repräsentieren.

      4. Bildzeichen (Ideogramme), die Dinge repräsentieren , die sie abbilden. 

      5. Determinative. (Bildzeichen, die nicht gesprochen werden, weil sie nur
      verdeutlichen sollen, welches Homonym einer voraufgegangen Konsonan-
      tengruppe gemeint ist. Beispiel: das deutsche Wort »Tor« kann »Dumm-
      kopf« oder »Eingang« bedeuten. Ein Ägypter würde hinter das Wort »Tor«
      entweder ein Zeichen für »Mensch« setzen, wenn der »Tor« gemeint ist,
      oder ein Zeichen für »Gebäude«, wo das »Tor«.)

      Geschrieben wurden die Hieroglyphen in Zeilen oder Kolumnen. Möglich
      warern auch beide Leserichtungen, die von links nach rechts, wie die von
      rechts nach links - wobei die Leserichtung auch vom Laien sofort erkannt
      werden kann, da die Köpfe von Mensch- und Tier-Hieroglyphen jeweils in
      die Richtung des Textanfangs blicken (siehe unten).


        Derselbe Hieroglyphen-Text einmal in Zeilen, dann in Kolumnen, von rechts und von
        links. Wobei die roten Pfeile die jeweilige Leserichtung angeben. Der Text lautet:
        »Amun-Re, König der Götter; Herr der Throne der beiden Länder; Herr des Himmels,
        der Erde, des Wassers und der Berge.«


      Welche Möglichkeitt Schreiber wählten, hing vom Ort ab, wo eine Inschrift
      plaziert werden sollte. Generell läßt sich sagen, daß die Leserichtung von
      Gebäude-Inschriften immer auf deren Eingang ausgerichtet war, sodaß die
      Köpfe der Mensch- und Tier-Hieroglyphen den Leser auf dem Gang durchs
      Innere des Gebäudes immer direkt anschauten.

      In Reliefszenen gaben die Hieroglyphen häufig wieder, was die handelnden
      Personen sagten. Damit leicht zu erkennen war, wer was sagte, waren die
      Äußerungen einer Person jeweils in der Richtung geschrieben, in die sie in
      der Szene agierte.

      Die Zeichenfolge in Kolumnen war die gewöhnlichere. Innerhalb von Kolum-
      nen zu lesen war stets von oben nach unten. Hieroglyphen in Zeilen wurden
      immer dort geschrieben, wo es der Kontext nahelegte, wie über Türstürzen
      und Toren, auf Sockeln lagernder Tiere, als Band auf Längsseiten von Sär-
      gen etc. Oder als optischer Kontrast zu Kolumen auf Stelen.

      Ästhetischen Kriterien spielten überhapt eine große Rolle. Sowohl im Gro-
      ßen, bei der Plazierung von Schrift als Element einer Gesamtkomposition aus
      Bildszene und zugehörigem Kommentar, wie im Kleinen, bei der Ausführung
      einzelner Hieroglyphen. So plazierte man Hieroglyphenkombinationen gern
      so, daß sie ein Minimum an Platz einnahmen. Statt die Zeichenfolge »t-w-t«
      einfach horizontal nebeneinanderzusetzen   schrieb man sie lieber
      verschränkt  .

      Damit erreichte man nicht bloß eine optimale Platzausnutzung, sondern zu-
      gleich ein homogeneres, von optischen »Löchern« freies Schriftbild, wie es
      bis heute als Merkmal eines »schönen« Layouts gilt.

      Schließlich spielten auch noch religiös-magische Kriterien eine Rolle bei der
      Ausführung von Hieroglyphen und Texten. Erfurcht vor den Göttern und dem
      Pharao verlangte beispielsweise, daß deren Namen immer am Anfang eines
      Satzes standen, auch wenn dadurch die gesamte Syntax des Satzes durch-
      einandergeriet.

      Aber das war nicht weiter tragisch, denn gelesen wurde ohnehin sehr lang-
      sam. Hieroglyphen mußten und wurden weniger gelesen als einzeln ent-
      ziffert - und zwar laut gesprochen. Weil es keine Abstände zwischen Worten
      und Sätzen gab, stellte sich nämlich erst beim lauten Lesen eindeutig her-
      aus, wo Worte endete und in welche Sinneinheiten ein Text gegliedert war.

      Zu bedenken ist noch, daß die Hieroglyphen als »Worte der Götter«, wie
      sie sagten, in den Augen der alten Ägypter magische Kraft besassen. Da-
      mit die von Zeichen, die bedrohliche Wesen darstellten, nicht entfaltet wer-
      den konnte, schrieb man sie gern verstümmelt wie im folgenden Beispiel.
       
             

      Die vorderen drei Zeichen geben den Namen der Unterweltsschlange
      Apophis wieder, einem der bedrohlichsten Wesen der alt-ägyptischen Re-
      ligion. Um deren unheilvolle Ausstrahlung zu neutralisieren, sind in den
      nachgestellten Schlangenkörper (das Determinativ zum Namen) große
      Messer gerammt, die ihn verletzen und zerstückeln sollen.

      Wer Hieroglyphenschrift und alt-ägyptischer Sprache ausführlicher als
      hier kennen lernen will, dem bietet das Internet eine Reihe brauchbarer
      Ressourcen. Einige der besuchenswerteren haben wir auf der nächsten
      Seite zum Ansurfen zusammengestellt.

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